Umstellung der Verkäufe

Bisher habe ich meine Produkte über den Nordholt-Verlag verkauft. Doch für einen kleinen Verlag wird es immer schwieriger, die gesetzlichen Auflagen zu erfüllen, Mehrwertsteuer-Schwankungen zu berücksichtigen, E-Books und Bücher auszuliefern etc.

Deshalb verkaufen ich jetzt meine E-Books über Digistore24.de und Book on Demand. Beides sind deutsche Firmen. Über Digistore.24 werden nun auch die E-Learning-Kurse verkauft. Damit verlasse ich schrittweise die Plattform Udemy. Natürlich können alle Kurse von mir, die bei Udemy gekauft wurden, dort weiterhin angeschaut werden.

Warum gehe ich von Udemy weg? Weil die US-Plattform in bekannter Ignoranz meinen Kurs ‚Single kann kein Zufall sein‘ mit dem Hinweis gestrichen hat, alle Dating-Kurse würden wegen anzüglichen Inhalten von der Plattform genommen.

Anzügliche Inhalte? Seit wann ist Partnersuche anzüglich? Da hat wohl der Algorithmus zugeschlagen, aber Udemy war keines bessern zu belehren. Bevor ich mir weitere Willkürlichkeiten bieten lassen, lasse ich lieber alle US-Anbieter hinter mir und vertreibe meine Produkte auf verlässlichen Plattformen.

Wie läuft der Verkauf von Büchern, E-Books und Online-Kursen jetzt? Ganz einfach über meine Homepage, wo ich einen Mitgliederbereich eingerichtet habe. Das geht so:

Wer ein Produkt über meine Homepage erworben hat, erhält automatisch per E-Mail die Login-Daten, mit denen er sich in den geschützten Mitgliederbereich einloggen kann. Dort findet er auch Foren zum Austausch mit anderen. Der Mitgliederbereich ist von DigiMember (*).

Im Mitgliederbereich gibt es jetzt auch Foren zu den unterschiedlichen E-Learning-Kursen, dort kann man sich austauschen oder Fragen an mich stellen.

Provokative Texte 2: Nebenbeziehungen

Wie lassen sich Nebenbeziehung führen?

Vortrag von Michael Mary an der Fachhochschule Merseburg im Rahmen der Tagung „Von Verliebtheit, Treuebruch und Kuckuckskindern – Soziobiologische und evolutionspsychologische Aspekte der Sexualität“.

Die Ausgangsfrage für meinen Vortrag wurde von Professor Harald Stumpe formuliert: „Können gut funktionierende Langzeit-Partnerschaften, die fast alle über einen Rückgang des sexuellen Interesses klagen, begreifen, dass die sexuelle und einvernehmliche Nebenbeziehung ein guter Ausweg sein kann?“

Ich würde sagen, dass viele Partner das bereits begriffen haben, die meisten Therapeuten jedoch noch nicht. Die Betonung liegt allerdings darauf, dass eine Nebenbeziehung ein Ausweg sein kann, denn diese Beziehungsform ist aufgrund der spezifischen Probleme, sie mit ihr verbunden sind, nicht für jeden geeignet ist. Sie kommt grundsätzlich für Paare in Betracht, die eine gute Lebenspartnerschaft aufgebaut haben und diese nicht deshalb aufgeben wollen, bloß weil sie die romantische, leidenschaftliche Liebe darin vermissen.

Alte und neue Töne

Allgemein wurde und wird in der Paartherapie davon ausgegangen, dass die Leidenschaft sich aufgrund mangelhaften partnerschaftlichen Verhaltens aus einer Beziehung zurückzieht. Demzufolge wurde und wird versucht, die Partnerschaft zu verbessern und man geht davon aus, dass die Liebe von einer besseren Partnerschaft profitieren wird.

Dieses Vorgehen scheint allerdings nur da (oft auch nur kurzfristigen) Erfolg zu zeigen, wo tatsächlich eine schlechte Partnerschaft der leidenschaftlichen Liebe im Weg steht. Auch neuere Versuche, die Leidenschaft aus den sexuellen Differenzen der Partner zu speisen versprechen nur Erfolg, wenn die Partner in den sexuellen Differenzen tatsächlich Gemeinsames finden, wovon man aber nicht per se ausgehen kann.

Neuerdings hört man von Therapeuten (hier David Schnarch) Aussagen wie „Zu wenig Liebe durch zu gute Partnerschaft“. Da zeichnet sich offenbar ein Wechsel in der Sichtweise ab, der den Realitäten entgegenkommt.

Ein Emotionsstau entsteht, wenn sich die Differenzierung in einer Liebesbeziehung erschöpft hat. Er lässt sich nicht auf „gescheiterte Kommunikation“ oder auf unüberwindbare Differenzen zurückführen.“

Ein Emotionsstau lässt sich nicht durch Kompromisse und Verhandlungen auflösen, weil eben die wiederholten Versuche, einen Kompromiss zu finden und Dinge auszuhandeln, und ebenso die dabei erzielten Erfolge den emotionalen Engpass hervorbringen.“

Es wird allmählich zugestanden, dass eine Harmonisierung der Partnerschaft zu Lasten der Leidenschaft geht. Insgesamt zeigt sich immer deutlicher, dass sich Liebe und Leidenschaft bei weitem nicht so gut vertragen, wie das bisher behauptet wurde, und dass sie schon gar nicht identisch miteinander sind oder aneinander gebunden sind.

Geschichtliche Vorlagen

Damit vollzieht die Therapie eine Unterscheidung nach, die geschichtlich schon immer getroffen wurde. Geschichtlich wurde nämlich zwischen der Liebe in und der Liebe außerhalb der Ehe unterschieden. Die eheliche Liebe war stetig und freundlich und beruhte auf gegenseitiger Rollenerfüllung, die außereheliche Liebe hingegen war emotional und leidenschaftlich. In meinem Buch Fünf Lügen, die Liebe betreffend habe ich einen geschichtlichen Überblick über diese Liebesformen gegeben. Im Mittelalter hört sich das beispielsweise so an:

Ein vernünftiger Mann soll seine Frau mit Besonnenheit lieben und nicht mit Leidenschaft. Nichts ist schändlicher, als seine eigene Frau wie eine Mätresse zu lieben.“ (Hyronimus)

Der Mann, der sich von übermäßiger Liebe hinreißen lässt und seine Frau so leidenschaftlich bestürmt, um seine Begierde zu befriedigen, als wäre sie gar nicht seine Frau und er wollte dennoch Verkehr mit ihr haben, der sündigt.“ (Benedicti)

Sinnsysteme Liebe und Partnerschaft

Nun wird endlich auch in der Beratung zwischen Liebe und Partnerschaft unterschieden. (Mir sind die Begriffe emotional/leidenschaftliche Liebe versus partnerschaftliche Liebe eigentlich angenehmer, schließlich können sich beide Beziehungsformen auf die Liebe berufen).

Aber Liebe und Partnerschaft sind nicht nur nicht identisch miteinander, sie beißen sich sogar. Das heißt: Was in dem einen Bereich Sinn macht, stört im anderen.

Der wesentlichste Unterschied zwischen Liebe und Partnerschaft ist der zwischen Gabe und Tausch. Die Partner tun beides, sie schenken und verhandeln in ihrem Zusammenleben zugleich, wobei sich Handel und Schenken nicht zu sehr in die Quere kommen dürfen. Dazu müssen die Partner in der inneren Logik der jeweiligen Beziehungsform bleiben und Geschenke und Tausch auseinander halten. Gelingt das nicht, wird es schwierig.

Lassen Sie mich das anhand eines Beispiels aus meinem Buch Und sie verstehen sich doch illustrieren. Ein Partner erkrankt und der andere besucht ihn über mehrere Monate täglich im Krankenhaus. Man kann sich vorstellen was mit den Liebesgefühlen passiert, wenn der Partner anschließend fordert: „Jetzt habe ich 200 Stunden aufgebracht, um dich im Krankenhaus zu besuchen, jetzt kannst du die nächsten drei Monate putzen und kochen.“ Der Partner wäre empört, weil er an dieser Forderung feststellen könnte, dass die Krankenhausbesuche nicht aus Liebe stattfanden, sondern aus Berechnung. Und was würde erst passieren, wenn eine solche Forderung vorher präsentiert würde: „Ich besuche dich nur, wenn du nach deiner Genesung putzt und kochst.“ In dem Fall wären Liebesmotive und Partnermotive mit entsprechenden Konsequenzen aufs Gröbste vermischt.

Liebende dürfen nicht rechnen. Sie bilanzieren weder die Zahl ihrer Küsse und Umarmungen noch führen sie Listen, wer wann sexuell aktiv war und wer wen als Nächstes zu begehren hat oder wem der nächste Orgasmus zusteht. Liebende treffen auch keine Vereinbarung über das Verhältnis von positiven und negativen Äußerungen in ihrer Beziehung (was manche Verfasser von Beziehungsratgebern durchaus empfehlen). Eine gute Liebesbeziehung erfordert es, partnerschaftliches Handeln und Schachern zu vermeiden. Liebe kann nur mit Liebe vergolten, ein Geschenk nur mit einem Geschenk beantwortet werden. Eine gute Partnerschaft ist auf Verhandeln und Lastenausgleich allerdings angewiesen.

Die Versuchung, Liebe durch Leistungen vergelten zu wollen oder Leistungen aufgrund der Liebesbeziehung schuldig zu bleiben, liegt in einer Beziehung allerdings nahe. Der eine Partner mag den anderen materiell versorgen, kann aber nicht ernsthaft erwarten, zum Ausgleich dafür sexuell begehrt zu werden. Sexuelles Begehren richtet sich nicht nach der Höhe monatlicher Zuweisungen. Ebenso wenig wird Liebe dadurch erhalten bleiben, dass der eine für den anderen die Wäsche wäscht oder die Steuererklärung macht.

Darin liegt das Verzwickte im Zusammenhang von Liebe und Partnerschaft: Was in der Liebe Sinn macht, ist in der Partnerschaft sinnlos, und umgekehrt.

Liebe und Partnerschaft könnten kaum widersprüchlicher motiviert sein, und dass in einer Paarbeziehung zwei derart verschiedene Kommunikationsformen miteinander auskommen müssen, verkompliziert das Vorhaben beträchtlich.

Die Partnerschaft setzt sich durch

Das alles bedeutet: Partner, die unter mangelnder Intensität ihrer Liebesbeziehung leiden, gehen mit der Liebe so um, also ob es sich dabei um Partnerschaft handeln würde. Der Rückgang der Leidenschaft ist demnach ein ganz normaler Vorgang, der auf die Bevorzugung der harmonischen Lebensbegleitung zurückzuführen ist. Was aber ist mit der Sehnsucht nach Verliebtheit, nach dem sinnlichen und erotischen Rausch und mit der Erneuerung des Selbst in der romantischen Verliebtheit? Das wird schmerzlich vermisst.

Pragmatischer Umgang mit der Liebe

Natürlich ist der Rückgang der Leidenschaft so nicht gewünscht. Natürlich wollen Partner alles für immer miteinander. Und natürlich steht die Treue bei den jungen Leuten hoch im Kurs. Aber das hat pragmatische Gründe. Die jungen Partner sind treu, weil es psychisch viel zu aufwendig ist, in den meist kurzen Beziehungen, die oft nur wenige Jahre halten, untreu zu sein. Lieber wechseln sie den Partner.

Der gleiche Pragmatismus bietet für ältere Paare eine ganz andere Lösung an: Die Nebenbeziehung. Hier ist damit nicht der einmalige Seitensprung oder eine so genannt offene Beziehung gemeint, sondern eine zweite Beziehung, die nicht allein dem Sex, sondern vor allem der Leidenschaft dient, der Auflösung des Ich, dem Verliebtsein als einer anderen Form der Liebe.

Diese Beziehungsform hat es immer gegeben, und auch heute noch wird sie in ganzen Landstrichen praktiziert. Helen Fisher berichtet in Anatomie der Liebe.

Wie der Psychologe Lewis Diana berichtet, stell in den Städten an der mittleren und südlichen Adriaküste der Ehebruch eher die Regel als die Ausnahme dar … Am beständigsten sind Beziehungen zwischen Männern und Frauen, die jeweils mit anderen Partnern verheiratet sind. Viele halten Jahre oder sogar ein ganzes Leben lang.“

Manchmal ist eine solche Nebenbeziehung sehr einfach zu akzeptieren. Nach einer Talkshow berichtete mir eine Zuhörerin, wie sie zu ihrer Nebenbeziehung kam. Ihr Mann litt an einer schweren Krankheit, die sexuellen Kontakt unmöglich machte. Über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg pflegte sie ihn liebevoll, bis zu seinem Tode. Natürlich lag das sexuelle und erotische Leben in dieser Partnerschaft brach, weshalb die Frau – auch auf den ausdrücklichen Wunsch ihres Mannes hin –eine erfolgreiche Nebenbeziehung aufbaute.

In diesem speziellen Fall erscheint die Nebenbeziehung nachvollziehbar und praktizierbar, weil es den Partnern aus körperlichen Gründen nicht möglich war, Sex miteinander zu haben; und die Partner ernten sogar Respekt für eine partnerschaftliche Liebe, die so viel Weitherzigkeit zeigt. Anders hingegen wird geurteilt, wenn eine Partnerschaft „bloß“ aus emotionalen oder psychischen, also aus weniger einsichtigen Gründen, die Sexualität nicht bieten kann. Dann werden die Betreffenden gern als Versager bezeichnet und jeglicher Respekt wird ihnen verweigert. Sie werden im Gegenteil als „unreif“ angesehen.

Die Exklusivität der beiden Lieben

Die Verurteilung der Nebenbeziehung wird oft mit einem fragwürdigen Argument betrieben, mit der Behauptung, eine Beziehung müsse exklusiv sein:

Es muss einen klaren Unterschied in der Qualität der Paarbeziehung zu allen anderen Beziehungen des sozialen Netzes geben. Dieser qualitative Unterschied ist ein Unterschied im Grad der Intimität. … Diese Intimität drückt sich am stärksten und „handgreiflichsten“ in einer wechselseitigen und auf Dauer gepflegten gemeinsamen Sexualität aus. Darum ist es unvermeidlich, dass eine zweite auf Dauer angelegte sexuelle Außenbeziehung die Intimität der Paarbeziehung auf Dauer zerstört.“ (Jellouschek)

Das ist so nicht nachvollziehbar, denn die Forderung nach Exklusivität einer Beziehung lässt die Nebenbeziehung unberührt. Haupt- und Nebenbeziehung haben schließlich verschiedene Zwecke, jede ist auf ihre eigene Art exklusiv, und in jeder sind sich die Partner auf eine andere Weise treu.

Schwierigkeiten anderer Art – die Eifersucht

Aber natürlich ist eine Nebenbeziehung nicht konfliktfrei zu haben. Die größte Schwierigkeit darin stellt die Eifersucht dar. Eifersucht ist im Kern die Angst, ohne den Partner nicht zu überleben. Um Eifersucht wird viel Gehabe und Geheimnis gemacht, sie wird für unausrottbar erklärt, den Genen zugerechnet und anderes mehr. Dabei ist es eine psychologische Binsenweisheit, dass Eifersucht ihre Bedeutung in frühkindlichen familiären Zusammenhängen erhält, wo der Verlust der wesentlichsten Bezugsperson, der Mutter, lebensbedrohlich erscheinen musste. Eifersucht ist daher weder ein Geheimnis noch gehört sie zur Natur des Menschen, sie ergibt sich vielmehr aus Beziehungsstrukturen, weshalb eine amerikanische Mormonin, die mehrere Nebenfrauen hat, sagen kann:

Wir sind Polygamisten in vierter oder fünfter Generation, mein Vater hatte vier Frauen. Ich bin so aufgewachsen, es hat mich nie gestört“.i

Eingegrenzte Eifersucht

Der amerikanische Psychologe Ralph Hupkaii betont die kulturellen Aspekte der Eifersucht und stellt die These auf, dass es kaum Eifersucht gibt in Gesellschaften, die folgende vier Kriterien erfüllen:

  • Privatbesitz spielt kaum eine Rolle,

  • sexuelle Befriedigung ist leicht zu finden,

  • Elternschaft hat wenig Bedeutung,

  • und die Ehe ist keine Voraussetzung für ökonomisches Überleben oder soziale Anerkennung.

Vergleichbare Kriterien scheinen für Partner in Nebenbeziehungen zu gelten:

  • Sie sind materiell unabhängig voneinander,

  • verfügen miteinander über zusätzliche Möglichkeiten sexueller Befriedigung,

  • planen keinen gemeinsamen Nachwuchs und

  • haben sich moralischer Verhaltenszwänge entledigt.

Sie können daher die Eifersucht eingrenzen. Gern wird angeführt, dass ein Kampf gegen die Eifersucht vergebens sei und kein Mensch unseres Kulturkreises sie je hinter sich lassen könne. Das mag ja überwiegend stimmen, ist aber gar nicht nötig. Wichtiger als die Eifersucht loszuwerden, ist es, mit ihr umzugehen. Menschen, die Nebenbeziehungen leben, brauchen daher eine größere Bereitschaft, sich mit den Zusammenhängen ihrer Eifersucht auseinanderzusetzen, sie auszuhalten oder gegebenenfalls zu mildern. Dazu gehören vor allem klare Regeln, also partnerschaftliche Verlässlichkeit.

Solche Regeln lassen sich geschichtlich und in anderen Ethnien finden. Eine Betrachtung verschiedener Kulturen zeigt, dass klare Regeln stets den Umgang mit den Gefühlen erleichterten, die außerehelicher Sex hervorzubringen im Stande ist. Eine Möglichkeit dafür ist das Schweigen. Die Partner wissen genau, was sie nicht wissen wollen, erlauben dem anderen, was sie selbst suchen und handeln nach dem Motto „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.“

Dass sexueller Kontakt zu dritten Personen aber selbst dann keinen Anlass zur Eifersucht gibt, wenn er offen stattfindet (weil er im Rahmen akzeptierter Regeln erfolgt), zeigt Annette Schmittiii am Beispiel anderer Kulturen. Die Banaro Neu Guinas beispielsweise können ihre Partner in bestimmten Zeremonien tauschen; die indischen Toda ermöglichten ebenfalls den Partnertausch.iv Auch in polygamen Gesellschaften stellt, wie sie aufzeigt, der sexuelle Kontakt zu Nebenmännern oder Nebenfrauen keinen legitimen Grund für Eifersucht dar, wenn es nicht zu Bevorzugungen kommt.

Eindeutige Regeln kontrollieren die Eifersucht, das beweisen auch Partner, die den privaten rein sexuell gemeinten Partnertausch praktizieren. Ihre Regelungen im Rahmen kontrollierter Freiheit sind klar: Man tut es getrennt voneinander, oder man tut es gemeinsam. Anschließend geht man gemeinsam mit dem Partner nach Hause. Der Aufbau von Nebenbeziehungen ist nicht gewünscht, die gegenseitige Kontrolle stellt dies sicher. Man kann lernen, dass die Lust des anderen keine Gefahr ist. Hören wir zweien zu, die in Swinger-Clubs gehen.

Sie: Als Frau wird man ja eher dazu erzogen, Sex und Liebe miteinander zu verbinden. Ich habe das sehr stark gemacht, aus einer konservativen Erziehung heraus. Als ich Klaus das erste Mal mit einer Frau habe schlafen sehen, hatte ich einen richtigen Schock. Ich konnte das nicht richtig trennen, und ich hatte bis dahin gar nicht in Betracht gezogen, selbst mit einem Mann zu schlafen. Mittlerweile habe ich gelernt, Sex und Liebe zu trennen und zu sagen “Das ist Sex” und “Das ist Sex und Liebe”. Ich kann es immer besser trennen, weil ich meine eigenen Erfahrungen damit mache. Sex ist schön und macht Spaß, aber deshalb muss man keine Beziehung zu demjenigen haben.

Er: Viele gehen in Clubs, weil es schon Seitensprünge gegeben hat und die Paare nun versuchen, es auf eine ehrliche Art zu machen. Die suchen keine neue Beziehung, sondern wollen ehrlich fremdgehen.

Man kann zwei Menschen lieben!

Bloßen Sex außerhalb der Beziehung zuzulassen ist sicher leichter, als eine Nebenbeziehung zu ermöglichen. Aber Sex reicht vielen Partner nicht. Es geht um Liebe und darum, dass man durchaus zwei Partner auf unterschiedliche Weise lieben kann – so wie das im Begriff von der Liebe innerhalb und außerhalb der Ehe der Fall ist. Diese Erfahrung machen übrigens alle, die sich unerwartet verlieben und dann zwischen den Stühlen hängen.

Oftmals müssen sich Menschen, die parallele Beziehungen führen, den Vorwurf anhören, sie betrieben eine problematische Fragmentierung von Bedürfnissen. Sie wollten beides oder alles haben, Leidenschaft und Liebe und Begehren, sie praktizierten sozusagen den Gipfel der Unverfrorenheit. Ja, das ist so. Doch ist der gängige Versuch, beides und alles mit einem einzigen Menschen lebenslang zu haben, eigentlich nicht noch größenwahnsinniger?

Zwar soll die Ehe alles liefern, was Partner brauchen, aber Anzeichen dafür, dass sie diesen Auftrag erfüllen kann, gibt es nicht. Und was sind Bordelle und Masturbation anderes als Fragmentierungen? Die Fragmentierung von Bedürfnissen ist so alt wie die Menschen, sie taugt nicht als Argument gegen Nebenbeziehungen. Es sprechen im Gegenteil manche gute Gründe für diese Beziehungsform.

Der erotische Reiz des “reinen” Liebesverhältnisses liegt darin, dass hier zwischen den körperlichen Begegnungen die erotischen Phantasien nicht abreißen, sondern sich ungestört weiterentwickeln“.v

Geliebten fällt es leichter, das Feuer der Leidenschaft lebendig zu halten, weil sich ihre Sehnsüchte und Phantasien aneinander entzünden können, weil ihre Illusionen nicht durch den Alltag gestört und gelöscht werden. Und wie eine Schilderung zeigt, wird unter Umständen die Sexualität in der Lebenspartnerschaft durch die Nebenbeziehung belebt:

Parallel dazu lief eine zunächst noch sehr schöne, durch die anderen Beziehungen eher noch befruchtete Sexualität mit meinem Ehepartner.“vi

Der Psychologe Wolfgang Schmidbauer meint denn auch:

In vielen Fällen ist die heimliche Liebe aber auch die konzertante Oberstimme zu dem Basso continuo der verpflichtenden, auf Haushalt und Kindererziehung gerichteten Liebe … so kann eine heimliche Liebesbeziehung mehrere Ehen überdauern.“vii

Verbreitung

Das Phänomen der Nebenbeziehung ist verbreiteter, als das allgemein von Wissenschaftlern zugestanden wird. Ich habe in meinen zahlreichen Interviews bisher keine Paare über 40 getroffen, die nicht aus eigener Erfahrung oder dem persönlichen Umfeld von Nebenbeziehungen berichten konnten. Per Email errechten mich beispielsweise folgende Schilderungen:

Ich bin 67 Jahre alt, sehe aber wesentlich jünger aus. Vor ca. 15 Jahren machte sich bei mir eine immer stärker werdende Abneigung bezüglich Sexualität mit meinem Mann bemerkbar. Ich teilt es ihm mit und er ließ mich wissen, dass er ohne Sexualität nicht leben wollte und ich müsste akzeptieren, dass er sich anderen Frauen zuwendet und sich eine Freundin sucht. Ich habe mir dann auch einen Freund gesucht, der 17 Jahre jünger ist. Meinem Mann war und ist es möglich, meine Außenbeziehung zu akzeptieren, weil ich seine auch toleriere.“

Eine verheiratete Frau, 45, hat einen Liebhaber. Die meisten ihrer Freundinnen leben so, wie sie beschreibt:

Meine Schwester hat seit vier Jahren einen Freund, dann habe ich eine Freundin, die hat im Urlaub jemanden kennen gelernt und ist seit sechs Jahren mit dem, eine feste Fernbeziehung, und dann hat sie seit zwei Jahren noch einen um die Ecke, mit dem es leidenschaftlicher ist. Eine andere Freundin macht ab und an One-Night-Stands, schon seit sie verheiratet ist, da hat sie nie einen Hehl daraus gemacht. Seit zehn Jahren trifft sie sich mit einem reichen Mann im Urlaub, lässt sich verwöhnen und beschenken, das genießt sie auch und nimmt es mit. Und dann habe ich im Urlaub eine tolle Frau kennen gelernt, eine Professorin, Anfang 50, die hat zwei Liebhaber, einen schon viele Jahre, den anderen seit vier Jahren, beide Männer sind verheiratet und wollen bei ihren Ehefrauen bleiben. Das könnte ich weiter spinnen, ich lerne ständig Frauen kennen, die so leben. Eine andere Freundin hat gerade einen Dritten kennen gelernt, den sie mal testen will …“

Auf meine Frage „Fängt das in einem gewissen Alter an?“ schreibt sie:

Ich meine, dass junge Frauen das anders sehen, weil die die Illusion haben, die Leidenschaft wäre für das ganze Leben mit einem. Wenn ich noch jung wäre, würde ich wahrscheinlich eher die Beziehung wechseln als mir einen Liebhaber zulegen. Die ich kenne, die sind ab vierzig aufwärts, und die wollen wissen, was mit ihrer Leidenschaft ist, und wenn man die dann erlebt, dann will man nicht mehr darauf verzichten.“

Und die Männer …?“

… mein jetziger Freund liebt mich schon sehr, wie er sagt, aber er ist zwanzig Jahre verheiratet und will bei seiner Frau bleiben“

Der Umgang der Partner damit

In meiner Beratung tauchen öfter Paare, auf die Hilfe beim Umgang mit Nebenbeziehungen suchen. Dabei geht es vor allem um das partnerschaftliche Aushandeln von Regeln, also um die Frage, unter welchen konkreten Bedingungen die Partner Erfahrungen mit Nebenbeziehungen zulassen, ohne die Hauptbeziehung dadurch zu kündigen. Fragen wie die folgenden werden dabei aufgeworfen:

  • Worauf müssen wir uns verlassen können?

  • Was sollte oder darf nicht passieren?

  • Was, wenn einer es nicht mehr aushält?

  • Worüber sprechen wir, worüber nicht?

Vertrauen und Treue sind in jedem Fall nötig. Aber es muss klar sein, worauf man vertrauen kann und worin die Treue bestehen soll. Du kannst dich darauf verlassen … dass ich immer wieder zurückkomme … dass ich dir nichts erzähle … Ein Mann bot seiner wesentlich älteren Frau das Versprechen an, sie zu pflegen, darauf könne sie sich verlassen, aber ohne Sexualität wolle er nicht leben, und daher brauche er eine Nebenbeziehung.

Die Arrangements, die Partner treffen, sind vielfältiger Natur. Und natürlich gibt es in keinem Fall für das Funktionieren von Nebenbeziehungen eine Garantie, wie es auch für das Funktionieren von ausschließlichen Beziehungen keine Garantie gibt.

Zweierlei Sehnsüchte

Aber – und diesem Fakt werden Partner, die Nebenbeziehungen führen, gerecht – es gibt zwei grundsätzlich wichtige Formen der Liebe. Diese Liebesformen erklären sich für mich aus zwei unterschiedlichen Bedürfnissen. Der Philosoph Eugen-Maria Schulak sagt:

Vor etwa 60.000 Jahren … begann der Mensch, seine Toten zu bestatten. Verstorbene wurden geschmückt und deren Gräber gekennzeichnet. … 30.000 Jahre später … entstanden in Frankreich die ältesten uns bekanntesten Ritzzeichnungen der westlichen Welt … Der Inhalt jener ersten Kunst war einschlägig: Schamlippen und erigierte Glieder, üppige Brüste und fette Hinterteile, Paare beim Geschlechtsakt …“

Die Vergänglichkeit und die Geschlechtlichkeit, die Mysterien des Todes und des überschäumenden Lebens, waren damit zweifellos die ersten und zentralen Inhalte transzendenter kultureller Überlegungen.“viii

Gegen die Vergänglichkeit und damit für die Verlässlichkeit werden Lebenspartnerschaften eingegangen, dem überschäumenden Leben wird durch die leidenschaftliche Liebe entsprochen.

Wer beides mit einem Menschen erlebt, ist glücklich – oft nur für relativ kurze Zeit. Und wer beides mit zwei Menschen erlebt, ist nicht weniger glücklich – oft sogar auf lange Sicht.

Verweise:

i Eine Mormonin, zitiert aus einem Bericht der „Bildwoche“ 24, 2001

ii Zitiert aus Annette Schmitt, Eifersucht, Bergisch Gladbach 2000, S. 102

iii In “Eifersucht”, Bergisch Gladbach 2000, S. 97 ff.

iv Siehe hierzu Anette Schmitt “Eifersucht”, Bergisch Gladbach 2000, S. 96 ff.

v Wolfgang Schmidbauer, Die heimliche Liebe, Reinbek 2001, S. 54

vi Michael Mary, Fünf Wege, die Liebe zu leben, Bergisch-Gladbach 2002

vii Wolfgang Schmidbauer, Die heimliche Liebe, Reinbek 2001, S. 63

viii Eugen–Maria Schulak, Zeitschrift für Philosophie 5/2000

Provokative Texte 1: Untreue

These: Durch Untreue dem Partner gegenüber kann man sich selbst wieder treu werden

Untreue hat zu Unrecht einen schlechten Ruf. Denn hätte sie keinen Wert und keine Aufgaben, dann gäbe es sie schlichtweg nicht, und es gibt sie seit ewigen Zeiten. Eine Reihe von Beispielen aus der Beratungspraxis verdeutlichen ihre Aufgaben:

Aufgabe 1: Untreue hilft bei der Selbsterkenntnis. Sie beantwortet die schwierige Frage „Zu wem bin ich im Laufe der Zeit geworden?“ Eine bisher moralische Frau erkennt durch eine Affäre:

Ich bin gar nicht die Frau, für die ich mich gehalten habe. Als untreue Frau bin ich emotional, nehme mir was ich brauche, bin inkonsequent, verspielt, lebendig. Ich bin verdammt noch mal eine sinnliche Frau.“

Wäre diese Selbsterkenntnis ohne Untreue möglich gewesen? Mit Therapie, viel Arbeit und Geld, mit der hier beschworenen Liebesmühe vielleicht, aber auf keinen Fall so radikal und ehrlich wie durch ihre Affäre.

Aufgabe 2: Untreue hilft bei der Rückeroberung verlorenen Selbstvertrauens. Eine Frau erzählt:

Nach einigen Jahren verlor mein Mann sein sexuelles Interesse an mit und begründete das mit meiner Gewichtszunahme und den von drei Kindern ausgelutschten schlaffen Brüsten. Mein Selbstvertrauen ging in den Keller, bis ich Gert kennen lernte. Den störten meine Brüste nicht, er begehrte mich. Ich fing an, mich wieder als Frau zu fühlen. Heute mag mich so wie ich bin.“

Wäre diese Selbstliebe ohne den Seitensprung möglich geworden? Keinesfalls in der hier erreichten Erfahrungstiefe.

Aufgabe 3: Untreue kann Depressionen auflösen. Ein Mann litt 12 Jahre unter Depressionen, nahm 10 Jahre lang Tabletten, die Depressionen blieben. Eines Tages wird er auf einer Arbeitstagung von einer attraktiven Frau verführt:

Mir hat diese Frau unzweifelhaft klar gemacht, dass sie mich will. Sie will Sex, sie will mich spüren. MICH! Von dem Tag an waren meine Depressionen weg. Das ist drei Jahre her, und mir geht es gut.“

Eine Wunderheilung? Keinesfalls, sondern die bisher vermisste Erfahrung, als sexuelles Wesen ganz und gar gemeint zu sein. Was hätte ähnlich überzeugend sein können wie diese unmittelbare Erfahrung?

Aufgabe 4: Untreue sprengt Ketten. Sie befreit von der Vorstellung, unentrinnbar an den Menschen gebunden zu sein, auf den man sich einst eingelassen hat. Untreue macht dann klar, dass es Alternativen gibt, dass Liebe zu anderen möglich ist.

Aufgabe 5: Untreue hilft bei Auseinandergehen. Angeblich enden ja viele Beziehungen wegen der Untreue – ich halte das für Unsinn. Untreue beantwortet praktisch und gangbar die Frage: Wie beendet man eigentlich eine Beziehung? Trennung ist nämlich gar nicht einfach, sondern überaus schwer. Untreue hilft dabei.

Aufgabe 6: Untreue rettet erstarrte Beziehungen. Ein Beispiel für diese These liefert das Ehepaar Zurhorst, das seltsamer Weise gegen die Untreue wettert. Die Untreue des Mannes löste Ereignisse aus, aufgrund derer die beiden zusammen blieben. Wären diese Berater konsequent, würden sie hier auf diese Seite wechseln und die Untreue empfehlen statt Liebesmühe zu predigen.

Aufgabe 7: Untreue hat auch soziale Funktion, sie stabilisiert partnerschaftliche Beziehungen. Der Psychologe Lewis Diana berichtet: „dass in den Städtchen an der mittleren und südlichen Adriaküste der Ehebruch eher die Regel als die Ausnahme darstellt. Darüber herrscht allerdings ein Kodex absoluten Stillschweigens. Das Familienleben darf nicht untergraben werden.“

Untreue sozial organisiert, um Ehen zu stabilisieren – weltweit ließen sich zahllose Beispiele dafür finden.

Aufgabe 8: Untreue beschert Abstand vom Partner. Wir alle masturbieren. Sie werden mir nicht erzählen, dass Sie in Ihrer Selbstbefriedigungs-Fantasie mit dem Partner Sex ausleben, zumindest nicht, wenn sie ihn ständig sehen und keinen Abstand haben.

Ich fasse die Aufgabe der Untreue zusammen: Untreue bricht Erstarrung auf und verhilft dem Leben zum Durchbruch.

Die amerikanerische Forscherin Helen Fisher wurde gefragt, wie man das Feuer der Liebe am brennen hält: Sie antwortet„Gönnen Sie sich eine schöne Affäre nebenbei. Ihr Partner wird Sie dafür zwar hassen – doch er wird Sie auch lieben wie nie zuvor.“

Leben- Liebes, -Beziehungs und Begehrens-Manager verklären die Treue zum Garanten funktionierender Liebesbeziehungen. Die Untreue bricht mit diesem Machbarkeitsglauben, sie verhöhnt das geplante Liebesleben, sie stellt unausweichliche Fragen nach dem Wert einer Beziehung.

Die Liebe zum Partner und der Treuewunsch schaffen ein großes Problem, nämlich wie man sich selbst treu bleibt. Schließlich kann man in der Liebe sich selbst verloren gehen. Untreue bedeutet dann die Rückkehr zu sich selbst. Auf die Untreue kann man sich notfalls verlassen, sie befreit von vergeblicher Liebesmüh. Gut dass es sie gibt!

(Das ist übrigens keine Aufforderung zur Untreue – sondern stellt sich gegen deren Verteuflung).

Umgang mit schwierigen Männern

Umgang mit schwierigen Männern
Wie Frau das Verhalten ihres Partner beeinflussen kann

Wie kann man das Verhalten seines Partners ändern? Sich am Mann abzuarbeiten hat keinen Sinn. Es gibt nur einen Weg, das Verhalten des Partners zu verändern: indem man seine Reaktion auf ihn verändert. Denn eine Paarbeziehung ist die Geschichte der gegenseitigen Reaktionen zweier Partner aufeinander. Mit anderen Worten, es sind immer beide beteiligt. Der Ansatzpunkt zur Verbesserung der Beziehung ergibt sich aus der eigenen Beteiligung am Verlauf der Ereignisse.

Wer etwas ändern will, braucht ein Problem!

Hier finden Sie drei kleine Auszüge aus dem Buch
Wer etwas ändern will, braucht ein Problem.

Das Leben als spannende Geschichte
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit Freunden zusammen, die Sie lange nicht gesehen haben und erzählen sich die Ereignisse der letzten Jahre. Ein Freund erzählt von seinem glatt verlaufenen Leben, und nach 5 Minuten fangen alle zu gähnen an. Ein anderer jedoch zieht die Zuschauer in den Bann einer packenden Geschichte, indem er von seinen Zielen, den unvermittelt auftauchenden Schwierigkeiten, den herben Fehlschlägen und der komplizierten Bewältigung dieser Situationen erzählt.
Das ist es, was das Leben spannend und lebenswert macht: dass der Erfolg sich darin allein über die Bewältigung des Scheiterns ergibt. Es klingt paradox, aber das Scheitern ist Vorraussetzung jeder Entwicklung und Veränderung.
Deshalb gilt: wer etwas ändern will, braucht ein Problem.
Diese These wird im Buch ausführlich dargelegt und auf die drei wesentlichen Lebensbereiche angewendet: den individuellen, den partnerschaftlichen und den gesellschaftlichen Bereich.

Das Buch fordert übrigens nicht, wie in einigen Rezensionen behauptet, dazu auf, die „Krise als Chance“ zu sehen. Das ist viel zu wenig. Das bedeutet doch nur „Wenn du schon Mist gebaut hast, dann mach wenigstens das Beste draus“. Im Scheitern die Voraussetzung für Weiterentwicklung zu sehen hat viel weitreichendere Konsequenzen. Es bedeutet, dass buchstäblich niemand von Problemen und Krisen verschont bleibt. Es bedeutet, dass jeder die „Chance des Bewältigen-Müssens“ erhält. Und darüber hinaus, dass diese Notwendigkeit kein Zwang oder Übel darstellt, sondern das Leben erst lebendig und lebenwert macht.

Vorwort
Dieses Buch will das große Thema Veränderung begreifbar zu machen, und zwar in drei der wichtigsten Lebensbereichen: dem individuellen, dem partnerschaftlichen und dem gesellschaftlichen Bereich.
Veränderungsphasen sind untrennbar mit Problemen und Krisen verbunden. Mittlerweile wird das Wort von der „Krise als Chance“ allgemein akzeptiert. Das ist gut so, aber es reicht bei weitem nicht aus, um die herrschenden Vorurteile gegenüber den damit verbundenen Schwierigkeiten aufzuheben. Denn im Grunde bedeutet die „Krise als Chance“ lediglich: „Wenn Sie Ihre Krise schon nicht verhindern konnten, dann machen Sie wenigstens das Beste daraus – und passen Sie das nächste Mal besser auf.“
Ich werde in meiner Einschätzung der Bedeutung von Problemen und Krisen wesentlich weiter gehen. Ich werde die Krise nicht bloß als unvermeidbares Übel darstellen, sondern als notwendige Voraussetzung jeder Veränderung, werde also den Segen der Krise beschreiben.
Überspitzt formuliert lauten zentrale Thesen dieses Buches:
– Wollen Sie etwas verändern? Dann brauchen Sie ein Problem!
– Wollen Sie etwas Grundlegendes verändern? Dann brauchen Sie eine Krise!
– Wollen Sie in Leben vorankommen? Dann sind Sie auf das Scheitern angewiesen!
Auch der Begriff des Scheiterns erfreut sich nicht der großen Wertschätzung, die ihm zusteht, im Gegenteil: Das Scheitern wird als vermeidbares Versagen und nicht als unabdingbare Bedingung des Erfolges angesehen.
Dabei bringt gerade das Scheitern den Erfolg!
Das Scheitern ist erforderlich, weil erst im Versuch seiner Bewältigung jene Entwicklung einsetzt, die wir schließlich als gelungene und erfolgreiche Veränderung bezeichnen.
Ich hoffe, dass es mir gelingt, diese möglicherweise paradox wirkenden Aussagen nachvollziehbar darzustellen und ich bin zuversichtlich, dass die LeserInnen dieses Buches nach dessen Lektüre den Problemen und Krisen und dem Scheitern in ihrem Leben die Anerkennung zukommen lassen, die diese Lehrmeister verdienen.

Der Mann ohne Krisen
Ein Mann, der sein Leben scheinbar im Griff hat, landet (Gott sei Dank) dennoch in einer Lebenskrise.
Vor mit sitzt ein 55-jähriger Mann, der den Ablauf seines bisherigen Lebens bis ins Detail zu schildern vermag.
Bisher sei alles ganz nach Plan verlaufen, er könne auf ein reibungsloses Leben zurück blicken. Phase Eins seines Erwachsenendaseins habe er der beruflichen Entwicklung gewidmet. Dabei sei er so gut vorangekommen, dass er sich mittlerweile zur Ruhe setzen könne. Phase Zwei war dem Aufbau einer Familie gewidmet, was ebenfalls erwartungsgemäß verlaufen sei. Inzwischen machten sich die erwachsenen Kinder daran, das Haus zu verlassen und er bereite sich auf Phase Drei vor. Diese bestünde in der Planung seiner Restlebenszeit.
Der Begriff „Restlebenszeit“ und vor allem die Betonung, in der er dieses Wort ausspricht, erinnern mich an einen Verwaltungsvorgang. Was er von seinem „Restleben“ denn erwarte, wollte ich erfahren? Seine Antwort lautet zusammengefasst: Alles scheine perfekt zu sein, aber auch leblos. Ein Tag sähe wie der andere aus. Die kommenden Ereignisse seien vorhersehbar. Nichts würde ihn überraschen, nichts wirklich freuen. Der Alltag quäle ihn, und das lasse ihm keine Ruhe.
„Dann lassen Sie uns jetzt ausreichend Überraschendes und Lebendiges und Freudiges für Ihre Restlebenszeit planen“ schlage ich ihm vor und will wissen, was er beispielsweise am 17. September 20xx spontan erleben wolle.
Der Mann sieht mich etwas verdutzt an, dann huscht ein Lächeln über sein Gesicht, das von einer Phase stiller Traurigkeit abgelöst wird, gefolgt von einem längeren Schweigen, das einige Erklärungen hervorbringt.
Er müsse zugeben, sagt der Mann, er wisse nicht weiter. Diese eigenartige Leere, die er jetzt in diesem Augenblick und seit geraumer Zeit verstärkt wahrnehme, habe er stets zu vermeiden gesucht. Seine Lebensplanung habe darauf beruht, vorher zu wissen, wie es weitergehen soll. Mit Ungewissheit könne er nicht umgehen. In den letzten Jahren verfolge ihn daher der Gedanke, sein Leben sei gescheitert. Er frage sich sogar, ob er jemals richtig gelebt habe. Dann fügt er entschlossen hinzu, so ginge es auf jeden Fall nicht weiter. Auf meine Frage, ob er sich in einer Krise befinde, in einer Sinnkrise, antwortet er zögerlich. Ja, so könne man das nennen – wenn man unbedingt wolle.
Nun ist der Mann, der ein reibungsloses Leben plante, in seinem 56. Lebensjahr in eine Krise geraten. Er spricht sogar davon, sein Leben wäre gescheitert. Statt als lebendig und anregend empfindet er sein Leben als leblos und freudlos. Er weiß nicht weiter und ist mit seinem Latein am Ende, was er als Krise erlebt.
Was nun? Soll man den Mann dafür bedauern, in eine Krise geraten zu sein? Keinesfalls, ganz im Gegenteil: man sollte ihn dazu beglückwünschen! Gott sei Dank ist er an diesem Punkt mit seinen Plänen und Planungen gescheitert. Sonst wäre er mit seiner „Restlebenszeit“ in gewohnter Manier verfahren und hätte die gesuchte Lebendigkeit gekonnt und perfekt verplant!
Jetzt erst, auf dem Hintergrund der Erkenntnis, „Phase Drei“ seines Lebens eben nicht planen zu können, hält er inne und besinnt sich.
Was motiviert ihn zu diesem Innehalten? Weder Vorausschau noch bewusste Lebensplanung, weder Absicht noch Weitsicht, sondern schlicht und einfach der Fakt, dass es so nicht weitergeht. Dass er mit seinem alten Latein am Ende ist. Dass ihm der Sinn allen Planens abhanden gekommen ist. Dass seine bisherigen Konzepte nicht mehr funktionieren. Einzig aus diesen Gründen sucht er nach etwas Neuem.
Das Gefühl der Leere, die Resignation, das Nicht-Weiter-Wissen, sein Scheitern – kurzum all das, was er als Krise empfindet – ist wichtig. Es weist ihn darauf hin, dass ihm das Leben enteilt ist, und es motiviert ihn, dem Leben zu folgen.

Der große Paarberater

Das Buch Der große Paarberater vermittelt Erkenntnisse und Anregungen zu den wichtigsten Themen der Paarbeziehung. Er ähnelt in seinem Aufbau dem erfolgreichen Büchlein „Der kleine Paarberater“, ist aber ausführlicher und enthält neun  detailliert geschilderte Übungen, die Partner anwenden können, um ihre Beziehung aus einer Sackgassen zu manoverieren oder die Kommunikation zu verbessern.

Liebe will riskiert werden

Dass eine moderne Paarbeziehung nicht mehr anhand des schlichten Begriffes „Liebe“ zu erklären ist, hat sich noch nicht allzu sehr herumgesprochen.
Wer beschreiben will, wie Liebesbeziehungen heute funktionieren, muss alle drei Liebesformen, die darin vorkommen, einbeziehen. Das sind:
– Die partnerschaftliche Liebe,
– die freundschaftliche Liebe und
– die emotional-leidenschaftliche bzw. intime Liebe.

Diese Liebesformen und die wachsende Bedeutung der emotional-leidenschaftlichen Liebe werden im Buch „Liebe will riskiert werden“ detailliert erläutert. Dieser Titel wurde vom Verlag gewählt. Ich als Autor hätte den Titel „Der neue Zweck der Liebe“ bevorzugt, denn dieser Zweck wird darin beschrieben. Ebenso wie die Logiken und Verhaltensweisen, die zu der jeweiligen Liebesform gehören.