These: Durch Untreue dem Partner gegenüber kann man sich selbst wieder treu werden
Untreue hat zu Unrecht einen schlechten Ruf. Denn hätte sie keinen Wert und keine Aufgaben, dann gäbe es sie schlichtweg nicht, und es gibt sie seit ewigen Zeiten. Eine Reihe von Beispielen aus der Beratungspraxis verdeutlichen ihre Aufgaben:
Aufgabe 1: Untreue hilft bei der Selbsterkenntnis. Sie beantwortet die schwierige Frage „Zu wem bin ich im Laufe der Zeit geworden?“ Eine bisher moralische Frau erkennt durch eine Affäre:
„Ich bin gar nicht die Frau, für die ich mich gehalten habe. Als untreue Frau bin ich emotional, nehme mir was ich brauche, bin inkonsequent, verspielt, lebendig. Ich bin verdammt noch mal eine sinnliche Frau.“
Wäre diese Selbsterkenntnis ohne Untreue möglich gewesen? Mit Therapie, viel Arbeit und Geld, mit der hier beschworenen Liebesmühe vielleicht, aber auf keinen Fall so radikal und ehrlich wie durch ihre Affäre.
Aufgabe 2: Untreue hilft bei der Rückeroberung verlorenen Selbstvertrauens. Eine Frau erzählt:
„Nach einigen Jahren verlor mein Mann sein sexuelles Interesse an mit und begründete das mit meiner Gewichtszunahme und den von drei Kindern ausgelutschten schlaffen Brüsten. Mein Selbstvertrauen ging in den Keller, bis ich Gert kennen lernte. Den störten meine Brüste nicht, er begehrte mich. Ich fing an, mich wieder als Frau zu fühlen. Heute mag mich so wie ich bin.“
Wäre diese Selbstliebe ohne den Seitensprung möglich geworden? Keinesfalls in der hier erreichten Erfahrungstiefe.
Aufgabe 3: Untreue kann Depressionen auflösen. Ein Mann litt 12 Jahre unter Depressionen, nahm 10 Jahre lang Tabletten, die Depressionen blieben. Eines Tages wird er auf einer Arbeitstagung von einer attraktiven Frau verführt:
„Mir hat diese Frau unzweifelhaft klar gemacht, dass sie mich will. Sie will Sex, sie will mich spüren. MICH! Von dem Tag an waren meine Depressionen weg. Das ist drei Jahre her, und mir geht es gut.“
Eine Wunderheilung? Keinesfalls, sondern die bisher vermisste Erfahrung, als sexuelles Wesen ganz und gar gemeint zu sein. Was hätte ähnlich überzeugend sein können wie diese unmittelbare Erfahrung?
Aufgabe 4: Untreue sprengt Ketten. Sie befreit von der Vorstellung, unentrinnbar an den Menschen gebunden zu sein, auf den man sich einst eingelassen hat. Untreue macht dann klar, dass es Alternativen gibt, dass Liebe zu anderen möglich ist.
Aufgabe 5: Untreue hilft bei Auseinandergehen. Angeblich enden ja viele Beziehungen wegen der Untreue – ich halte das für Unsinn. Untreue beantwortet praktisch und gangbar die Frage: Wie beendet man eigentlich eine Beziehung? Trennung ist nämlich gar nicht einfach, sondern überaus schwer. Untreue hilft dabei.
Aufgabe 6: Untreue rettet erstarrte Beziehungen. Ein Beispiel für diese These liefert das Ehepaar Zurhorst, das seltsamer Weise gegen die Untreue wettert. Die Untreue des Mannes löste Ereignisse aus, aufgrund derer die beiden zusammen blieben. Wären diese Berater konsequent, würden sie hier auf diese Seite wechseln und die Untreue empfehlen statt Liebesmühe zu predigen.
Aufgabe 7: Untreue hat auch soziale Funktion, sie stabilisiert partnerschaftliche Beziehungen. Der Psychologe Lewis Diana berichtet: „dass in den Städtchen an der mittleren und südlichen Adriaküste der Ehebruch eher die Regel als die Ausnahme darstellt. Darüber herrscht allerdings ein Kodex absoluten Stillschweigens. Das Familienleben darf nicht untergraben werden.“
Untreue sozial organisiert, um Ehen zu stabilisieren – weltweit ließen sich zahllose Beispiele dafür finden.
Aufgabe 8: Untreue beschert Abstand vom Partner. Wir alle masturbieren. Sie werden mir nicht erzählen, dass Sie in Ihrer Selbstbefriedigungs-Fantasie mit dem Partner Sex ausleben, zumindest nicht, wenn sie ihn ständig sehen und keinen Abstand haben.
Ich fasse die Aufgabe der Untreue zusammen: Untreue bricht Erstarrung auf und verhilft dem Leben zum Durchbruch.
Die amerikanerische Forscherin Helen Fisher wurde gefragt, wie man das Feuer der Liebe am brennen hält: Sie antwortet„Gönnen Sie sich eine schöne Affäre nebenbei. Ihr Partner wird Sie dafür zwar hassen – doch er wird Sie auch lieben wie nie zuvor.“
Leben- Liebes, -Beziehungs und Begehrens-Manager verklären die Treue zum Garanten funktionierender Liebesbeziehungen. Die Untreue bricht mit diesem Machbarkeitsglauben, sie verhöhnt das geplante Liebesleben, sie stellt unausweichliche Fragen nach dem Wert einer Beziehung.
Die Liebe zum Partner und der Treuewunsch schaffen ein großes Problem, nämlich wie man sich selbst treu bleibt. Schließlich kann man in der Liebe sich selbst verloren gehen. Untreue bedeutet dann die Rückkehr zu sich selbst. Auf die Untreue kann man sich notfalls verlassen, sie befreit von vergeblicher Liebesmüh. Gut dass es sie gibt!
(Das ist übrigens keine Aufforderung zur Untreue – sondern stellt sich gegen deren Verteuflung).
Ihre beiden Texte zur „Untreue“ hätten mir schon in den „68igern“ als Türöffner in die Wirklichkeit gut getan, um meine Ahnung von ihrem Potential an Sinn und Zweck zu bestätigen. Damals explodierten innerhalb eines Jahres nach Gründung unseres „Kinderladens“ zwölf von fünfzehn Ehen der Elternpaare durch Varianten ungezügelter Untreue. Nach den z.Teil chaotischen Trennungen entwickelten sich im Laufe der Zeit trotzdem über die gemeinsamen und weiteren Kinder in den meisten neuen Patchworkfamilien bis heute in Abstimmung funktionierende respektvolle Umgangsformen. Natürlich gilt i.S „Homo paene nicht paene omnia“ : Gegenüber dem „Universum“ ist jede Beziehung einzeln und etwas besonderes. Trotzdem, nach dem ersten „Scheitern“ damals bestehen die meisten Paarbeziehungen heute noch. Man hat sich arrangiert?
Für mich kann ich andeuten, Ansätze und Umsetzungen in Richtung Ihrer Betrachtungen haben sich über fast 50 Jahre in mir durchgesetzt, auch das mit Zweifeln, Krisen, Umwegen (2x je 3 Jahre Jung’sche Analyse), aber auch genauso Freude, Lust und Selbstwirksamkeit.
Es gibt aber auch etwas Ungeklärtes ein existenziellen Scheitern, darüber würde ich mich gerne mit Ihnen ineiner Beratung in Ihrem Sinne austauschen.