Michael Mary im Piper Verlag
Print – 16,00 € (ISBN 9783492061490)
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Wie wir uns von Einflüssen der Vergangenheit befreien
Das ‘Innere Kind’ bezeichnet eine in der Vergangenheit entstandene – und heute noch wirksame – Art und Weise, sich selbst, die Menschen und die Welt wahrzunehmen. Von dieser Wahrnehmung werden ein großer Teil des Verhaltens und der Lebenserfahrungen bestimmt. Sich mit dem Inneren Kind zu befassen hat zum Ziel, nachteilige Einflüsse der Vergangenheit auf das gegenwärtige Leben zu erkennen und aufzulösen. Um ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben zu führen.
Einleitung des Buches
Was soll das sein, ein ‘Inneres Kind’? Gibt es so etwas? Und wo soll es sich aufhalten? Schiebt man jemanden in einen Computertomographen, ist nirgendwo ein Inneres Kind zu finden. Es verbirgt sich weder im Körper noch im Gehirn eines Menschen. Der Ort, an dem es sich aufhält, ist die Psyche. Jener Ort, an dem ein Mensch über sein Leben entscheidet – zumindest, soweit er das selbst beeinflussen kann.
Warum ist die Psyche derart bedeutsam? Weil sie bestimmt! Sie bestimmt, wie sämtliche Wahrnehmungen gedeutet werden, sie bestimmt, was man für wahr hält und für sinnvoll erachtet und sie legt fest, wie man sich aufgrund dessen verhält. Die Psyche bestimmt über die Haltungen, die jemand sich selbst, den Menschen und der Welt gegenüber einnimmt und sie bestimmt über alle Handlungen, die jemand tätigt. In der Psyche werden sämtliche Weichen des individuellen Lebens gestellt.
Die Psyche kann ihre Festlegungen allerdings weder willkürlich noch beliebig treffen. Sie ist für ihre Beurteilungen und Anweisungen auf Erfahrungen angewiesen. Diese Erfahrungen nehmen unmittelbar mit der Zeugung, durch hormonelle Einflüsse auf den Organismus, ihren Anfang und sie setzen sich vor, während und nach der Geburt fort. Am bedeutsamsten jedoch sind die prägenden Eindrücke der ersten Lebensjahre. Die Jahre, in denen ein Mensch versteht, wie das Leben ist.
Wie ist das Leben? Wie funktioniert es? Worauf kommt es dabei an? Wie muss man sich darin verhalten? Muss man sich im Leben anstrengen? Muss man sich anpassen? Vernünftig sein? Muss man kämpfen? Ist man liebenswert? Darf man sich zeigen, wie man ist? Welche der im Laufe einer individuellen Entwicklung gewonnenen Überzeugungen sind wahr oder unwahr, richtig und falsch, welche der dazugehörigen Haltungen erweisen sich als hinderlich oder leidbringend? An welchen sollte man festhalten, welche aufgeben?
Solche Fragen sind objektiv nicht zu beantworten, zudem hängt die Sinnhaftigkeit oder Sinnlosigkeit eines Verhaltens von den konkreten sozialen Umständen ab. Diese Fragen betreffen das jeweilige Individuum und sind nicht verallgemeinerbar. Nur eines steht mit Sicherheit fest: Viele grundlegende Wahrheiten und Überzeugungen über das Leben, die sich unter den Umständen der Kindheit in der Psyche festgesetzt haben, sind im Erwachsenenleben noch wirksam. Insofern verfügt jeder Mensch über ein Inneres Kind. Und zwar aus dem einfachen Grund, weil sich bei jedem in der Kindheit die grundlegenden psychischen Strukturen bildeten, auf die er sein Leben aufbaut.
Diese psychischen Strukturen bestehen aus Erwartungen. Man glaubt zu wissen, wie das Leben funktioniert, man erwartet, was einen erwartet und weiß deshalb, wie man sich zu verhalten hat. Man glaubt zwar nur, das zu wissen, das jedoch mit felsenfester Gewissheit. Und merkt nicht, wie man vergangene Erfahrungen wiederholt, die man nur deshalb für wahr hält, weil man sie wiederholt.
Wer beispielsweise glaubt, dass man sich im Leben anstrengen muss, der wird irgendwann müde, erschöpft und leer sein, weil er sich permanent überfordert. Dieser Zustand beweist dann seine Überzeugung. Wer glaubt, dass man sich anpassen muss, wird sich verleugnen und die Erfahrung machen, hinten anzustehen. Das beweist ihm dann, dass einem nichts anderes übrig bleibt, als sich anzupassen. Wer glaubt, nicht liebenswert zu sein, wird sich verstecken und kaum Bestätigung erfahren, was ihm dann beweist, nicht liebenswert zu sein. Wer glaubt, kämpfen zu müssen, wird Gegner finden und und dann erfahren, dass sein Leben ein ständiger Kampf ist.
Was man über sich, die Menschen und das Leben glaubt, hat die fatale Tendenz, sich zu bewahrheiten.
Das Vertrackte an mitgebrachten psychischen Strukturen, also an den scheinbaren Wahrheiten des Lebens, ist, dass sie unbewusst wirken. Man kann die eigenen psychischen Strukturen nicht unmittelbar erkennen. Man kann sie meist nur anhand ihrer Wirkungen identifizieren, anhand der Spuren, die sie im Leben hinterlassen und anhand der Folgen, die sie herbeiführen. Das heißt: Wenn man sich in irgendeiner Sackgasse befindet, wenn man schlecht mit sich, dem Lebenspartner, den Menschen oder der Welt klarkommt.
Die Folgen solcher unbewusst reproduzierten Vergangenheit zeigen sich in eingeschränkter Lebensfreude, in öder Langeweile oder quälenden Sinnfragen, in sich wiederholenden unerfreulichen Lebenslagen, im Getrieben-sein, in unerfüllten Sehnsüchten oder in Lebenskrisen. Wer von solchen Folgen betroffen ist und ahnt, dass seine Vergangenheit sein gegenwärtiges Leben erschwert, für den ist es sinnvoll, sich mit dem Inneren Kind zu befassen. Aber natürlich auch für jeden, der am Thema Inneres Kind interessiert ist.
Worum es beim Umgang mit dem Inneren Kind geht? Das ist leicht gesagt, aber nicht so leicht getan. Es geht darum, das zu denken, zu fühlen und zu tun, was damals gut war, sich zu verbieten. Es geht um die Erlaubnis das zu leben, was bisher ungelebt ist. Wie befreit man sich von den Lasten der Vergangenheit? Der Umgang mit dem Inneren Kind bietet dazu gute Möglichkeiten. Dieser Umgang beinhaltet verschiedene Punkte. Es geht darum:
– Zu erkennen, wo und wie das Innere Kind Einfluss auf das Leben nimmt.
– Nachzuvollziehen, wie man bestimmte Lebenserfahrungen aufgrund psychischer Mechanismen wiederholt.
– Nachteilige Deutungen, Überzeugungen und Wahrheiten aufzuspüren, die sich in der Kindheit gebildet haben und die bis heute wirken.
– Bestimmte psychische Strukturen auf gedanklicher, emotionaler und körperlicher Ebene aufzulösen.
– Die Vergangenheit durch Neubewertung ‘umzuschreiben’.
Mit anderen Worten: Es geht darum, im Umgang mit dem Inneren Kind zu besseren Lebenshaltungen und mehr Lebensglück zu finden. Diesen Punkten folge ich in diesem Buch und biete Ihnen an, diese nachzuvollziehen. Darüber hinaus stelle ich Übungen bereit, mit denen Sie eigene Erfahrungen mit dem Inneren Kind machen und vertiefen können. Dabei wünsche ich viele Erkenntnisse und viel Erfolg.